frei nach Wolf Schneider: Deutsch
fürs Leben Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH
Gut und verständlich
schreiben ... ist nicht einfach, sondern eine echte Herausforderung,
der wir alle Tag für Tag gegenüberstehen. Das Problem
jedoch findet man bei selbst ernannten Experten,
Profis, die täglich mit Texten zu tun haben und den Normalbürger
für dumm verkaufen wollen.
Viele Experten schwelgen in elitärer
Unverständlichkeit ohne Respekt für die Sprache
des Normalbürgers. Sie grenzen sich auf diese Weise hochmütig
von den Laien ab, steigern ihr Lebensgefühl durch die Hoffnung
die Mehrheit ihrer Mitbürger vom Verständnis auszuschließen.
Gedanken auf den Punkt bringen
Durch das Einhalten einiger Regeln kann man wichtige Aussagen
treffend formulieren. Ich möchte Sie hier zum Nachdenken
anregen. Stellen Sie sich der Herausforderung
mehr aus Ihren Texten zu machen. Schreiben Sie so, dass sich der
Leser auch Morgen noch an Ihren Artikel oder Ihr Produkt erinnert.
Adjektive, der tägliche Wahnsinn
Überwiegend leicht entbehrlich, kann man Adjektive oft aus
dem Text streichen. Die Gefahr einen Satz mit Adjektiven ins Lächerliche
zu ziehen ist immer gegeben. Sätze wie "... die Stadt
wurde schwer verwüstet." liest man immer wieder. Sind
Verwüstungen nicht immer schwer?
Vieles ist alltäglich für uns, und kein Mensch stört
sich mehr an "... dunklen Ahnungen" oder "... neu
renoviert". Kann man heutzutage nicht mehr davon ausgehen,
dass nach einer Renovierung alles neu ist?
Superlative? Unnötig!
Superlative gehören zu einer schreienden Form mit der man
behutsam umgehen sollte. Die Verwendung von Superlativen ist immer
eine Anmaßung:
das Äußerste zu kennen, damit niemand mehr übersteigern
kann. Neid und Konkurrenzgefühle sind die Folge beim Leser.
Formulierungen wie "... die bisher schwerste Katastrophe"
sind außerdem sinnlos. Nur in der Vergangenheit kann die
schwerste Katastrophe passiert sein.
Imponiervokabeln denen überlassen,
die es nötig haben. Ein treffendes Wort an der richtigen
Stelle sagt mehr aus. Verzichten
Sie darum auf Vokabeln wie: reflektieren oder stig- matisieren.
Vertrauen Sie lieber der Aussagekraft klarer Wörter.
Klarheit könnte auch die Deutsche Bundespost schaffen indem
sie ihr Postwertzeichen endlich in die gebräuchliche Briefmarke
übersetzen würde.
Tarnen und Täuschen?
Das bewusste Verharmlosen durch die Verwendung von Tarnwörtern
wie Kernkraftwerke, anstatt dem bedrohlich klingendem Atomkraftwerk,
ist leider an der Tagesordnung. Vielleicht kleinkariert darüber
zu reden, aber Gedanken
machen sollte man sich auf jeden Fall, sonst übernehmen das
eines Tages andere.
Vorsichtiger Umgang mit Synonymen
Es ist stets eine zwanghafte Vorstellung jeder Ausdruck müsse
ausgewechselt werden. Als ein Ergebnis leidet oftmals die Ver-
ständlichkeit eines Textes. Wer hat nach mehreren Zeilen
noch im Kopf wer ersterer oder selbiger war? Wenn der Leser zurücklesen
muss um den Satz zu verstehen, sollten Sie den Text kürzen.
Wie lang darf ein Satz sein?
Bemühen Sie sich kurze und aussagekräftige Sätze
zu schreiben. Ein Test am Paderborner Institut für Kybernetik
zeigte, dass bei mehr als der Hälfte der Erwachsenen mit
dem 14. Wort das Verständnis
aussetzte.
Schachtelsätze? Zeitverschwendung!
Sparen Sie sich die Mühe Ihren Inhalt in einem langen,
verschachtelten Satz zu verpacken, der Leser wird es Ihnen danken.
Er wird Freude haben Ihren Ausführungen zu folgen, wenn der
Text linear aufgebaut ist. Missverständnisse wie: "Die
Kinder schlugen ihren Mitschüler (Typisch!) zum Klassensprecher
vor." (Ach so?), werden dann ausbleiben. Versuchen Sie Gedanken
so auszudrücken, dass jeder sie verstehen muss!
Um Missverständnisse auf halben Weg zu vermeiden, sollten
Sie aus einem Zwischensatz immer einen angehängten Nebensatz
machen. Damit kommen Sie nicht in die Versuchung das erklärende
Verb oder Subjekt erst am Ende des Satzes einzubauen. Wie oft
wird unnötige Spannung aufgebaut, durch Sätze wie: "Bei
den Verhandlungen über den Tarifvertrag konnte ein Fortschritt
(Wie schön!) nicht erzielt werden.
Sagen Sie, was
Sie denken Drücken Sie eine Verneinung durch ein klares
Nein, Kein oder Nicht aus. Der Normalbürger braucht doppelt
so lange eine verneinende Satz- aussage zu verstehen (Psychology
today, 9/1974). Doppelte oder dreifache Verneinung ist überflüssig.
Sätze wie: "Der Einbruch der Automobilindustrie hat
die Reihen der nicht vorhandenen Fachkräfte gelichtet...
." (Spiegel, 16.3.1981) sollten uns Warnung genug sein.
Ziffern schrecken Ihre Leser ab
Darum halten Sie sich bei diesem leidigen Thema an ein paar
Regeln. Was verglichen werden soll wird gleich geschrieben "...
der Anteil sank von 8 auf 6,5 Prozent.". Was nicht verglichen
werden soll, wird ungleich geschrieben wie: "Zehn Briefmarken
zu 80 Pfennige.". Auf der Briefmarke steht schließlich
80 und nicht achtzig. Was nicht exakt gemeint ist, sollte auch
nicht in Ziffern geschrieben werden. "1000 Zuschauer verfolgten
das Spiel." erweckt den Anschein abgezählter Personen.
Einige Unsitten als Beispiel
Überflüssige Vorsilben wie ab- "abmindern, abklären",
an- "anmieten, ansteigen" und auf- "auffüllen,
aufzeigen". "Bevölkerung" ist ein Vorgang
und kein Ersatz für Volk. Sogar im Grundgesetz steht Volk
geschrieben. "Echt", ist überflüssig. "Erklären",
bedeutet immer feierlich verkünden oder Wissen vermitteln.
Oft gemeint wird aber vom Schreiber: sagen. "Gekonnt",
auch nur ein Modewort für: gut. "Persönlich"
getroffen, wie sonst?
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